Mittwoch, 23. April 2008

Reclaim the Uni - Week

Lang ist es her, dass ich hier etwas hinterlassen habe. Seit über zwei Wochen hat mich das Unileben in Manchester nun schon wieder. Viel ist dennoch nicht passiert. Ich muss mehr für die Uni tun, besonders für meine Studienarbeit, und der Frühling scheint endlich auch in hier anzukommen (auch wenn es noch lange nicht so schön ist wie das Wetter bei meinem Besuch in Spanien war).

bei Saskia

Kurz berichten möchte ich von einer Exkursion, an der ich in meiner ersten Woche nach der Rückkehr teilnahm. Ohne zu wissen für wen die genau ist (zweites Semester Geografie) und wo die genau hin geht (rund um Manchester) traf ich morgens Nigel, einer meiner beiden Ansprechpartner für meine Studienarbeit, und Sarah, seine designierte Nachfolgerin als Dozentin. Ohne dass ich mich versah wurde ich als Mitarbeiter und Experte für urbane Überflutungen vorgestellt und sollte den beiden bei ihren Ausführungen helfen.
Es war eine ganz nette, sehr interessante Exkursion (für mich eher der Erkundung Manchesters wegen). Ich verstehe mich mit Nigel immer besser, der bei seinen Vorträgen seien Abneigung gegenüber verantwortungsloser Umweltpolitik und Privatisierung von kommunalen Versorgungsbetrieben deutlich machte. Die Gesichter der jungen Studenten (so um 18 Jahre) ließen erkennen, dass sie sich hier rüber bislang wenig oder noch nie Gedanken gemacht hatten und nur sehr geringes Interesse darauf verspürten.

„Another Education is Possible“ stand auf den Plakaten, die zu den Aktionen in dieser Woche aufriefen. Nach meiner letzten Erfahrung mit den politikmüden hiesigen Studenten auf einer nicht vollendeten Vollversammlung war ich gespannt wie viele Leute wohl diesmal teilnehmen würden. Auftakt sollte eine Demonstration für freie Bildung sein. Diese wurde kurzerhand nur etwa 300 Meter in ein Universitätsgebäude geführt wobei die Polizei von Anfang an versuchte die Demonstranten gar nicht erst los laufen zu lassen. Auch wenn nur etwa 200 Studenten losgingen, so waren die wenigen Polizisten (nicht zu vergleichen mit Hamburger Polizei auf Studentendemos, eher freundliche „Schutzmänner“ und „-frauen“) nicht wirklich in der Lage die Demonstranten an ihrem Vorhaben zu hindern (oder auch nicht gewollt sich zu sehr einzumischen). Ein Video zeigt das gemütliche Vorgehen. Die anschließende „Besetzung“ des derzeit neuesten und umstrittensten Gebäudes (nur Masterstudenten und Doktoranden dürfen rein) war eher ein Sit-in und wurde bald darauf auch wieder beendet. Es war schön zu sehen, dass es auch hier einige wenige gibt, denen die Hochschulpolitik nicht egal ist. Angesichts der Größe dieser Uni war die Anzahl, für eine recht massiv (zumindest für englische Verhältnisse, wir hätten es wohl eher gerade so ausreichend genannt) beworbene Demonstration jedoch enttäuschend.
Etwas belächelt wurde daher die kleine Menge auch heute, als zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Bildung in einer neoliberalen Welt“ eingeladen wurde. Etwas weniger als zur Demo versammelten sich in einem Hörsaal, besonders angezogen durch drei Alt-68er die bekannte Persönlichkeiten damals in Oxford waren und nunmehr an der Uni in Manchester lehren. Da gerade erst von Seiten der Uni versucht wurde diese unliebsamen Dozenten, die noch immer ihre alten Stadtpunkte verinnerlichen, loszuwerden, wurde auch von dieser Kampagne berichtet. In kürzester Zeit hatte sich nicht nur eine Medienberichterstattung von Manchester bis nach New York (in linken oder liberalen Zeitungen) vollsogen, sondern tausende Studenten per Facebook Brief- und eMailbeschwerden koordiniert. Mit dem Erfolg, dass sie vorerst bleiben. Doch von dem Versuch sie loszuwerden waren sie glücklicherweise nicht eingeschüchtert worden. Die harten und direkten Worte, die Sheila Rowbotham und besonders Terry Eagleton, fanden, könnte ich mir in Hamburg, weder an der TU noch an der Uni, nicht vorstellen. Professoren, die sich über den Präsidenten sogar lustig machen, seine Absetzung fordern und den Studenten empfehlen wieder radikaler zu werden, hätten sicherlich nicht nur einen Maulkorb verpasst bekommen, sondern wären sicherlich schon lange ihren Job los.
Ins gesamt gefiel mir die Veranstaltung, besonders aber durch die gute Rhetorik der lang geübten. Von studentischer Seite nahm nur ein Mitglied der hiesigen Student’s Union teil, der zwar auch überzeugte, wodurch jedoch das allgemeine Bild der zum großen Teil politikmüden Studenten widergespiegelt wurde. Ohne großes Zutun waren dagegen sicherlich 50 ehemalige Mitstreiter der Alt-68er anwesend. Ob diese Mitarbeiter und Dozenten es ernst meinten, dass sie sich eine baldige Wiederholung von ‚68 angesichts der steigenden Studiengebühren (seit der Einführung 1997 durch die Labour -Regierung auf bislang 4000 € pro Jahr erhöht mit einer weiteren, angekündigten Erhöhung im nächsten Jahr) vorstellen können?
Morgen ist auf jeden Fall erstmal wieder die ältere Generation dran zu zeigen wie erst ihnen ein Wandel der herrschenden Politik ist. Dozenten und Lehrer wollen für eine höhere als angekündigte Gehaltsteigerung und gegen weitere Privatisierungen streiken. Die Zeitung geht von über 300 geschlossenen Schulen alleine in Manchester aus. Ich bin gespannt.

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